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 Golf Indien:

 Golfen mit kolonialem Flair
 

Indien hat über 160 Golfplätze. Die meisten und wahrhaft „edlen“ befinden sich im Norden des riesigen Landes, namentlich im Dreieck Delhi, Agra und Jaipur. Kenner, die dem farbenfroheren Süden Indiens den Vorzug als Reiseziel geben, müssen aber auch dort nicht auf die Freuden des grünen Sports verzichten, und manche Clubs sind ebenfalls durchaus nobel.
Allerdings: Wer hitzeempfindlich ist – und Indien wird verflixt heiß! –, sollte vielleicht die städtischen GCs wie jene von Chennai (Madras) und Bangalore meiden und sein Heil lieber im Bergland zwischen Tamil Nadu und Kerala suchen, wo man in über 2000 Meter Höhe in angenehmer Kühle abschlagen kann.
Hinzu kommt, dass die drei Plätze mit ein bisschen Geheimtipp-Charakter, die nachstehend vorgestellt werden, noch aus der britischen Kolonialzeit stammen. Die ist natürlich längst vorüber, aber ein gewisses koloniales Flair, jetzt mit indischem Vorzeichen, hat sich erhalten, und es kann als durchaus liebenswert empfunden werden.

LokomotiveGanz besonders herrscht dieser Eindruck in Ooty vor, einer Art „Kurort“ auf 2286 Metern. Zu ihm kann man mit der dampfgetriebenen Nilgiri Blue Mountain Railway durch eine extrem malerische Landschaft emporschnaufen, und der Ootacamund (so der volle Name von Ooty) Gymkhana Golf Club mit 18 Löchern liegt dann ein wenig außerhalb des Ortes, manchmal in dichten Wolken.
„Ooty is snooty“, sagen indische Golfer: „In Ooty tragen sie die Nase hoch.“ Man gibt sich in der Tat elitär auf dem Gymkhana, was wohl damit zusammenhängt, dass die haute volée Ootys dort verkehrt, einschließlich diverser pensionierter hoher Militärs.

FlairEiner von denen, ein Ex-Oberst, betreibt in der Stadt eine aus dem „Ratan Tata Officers‘ Holiday Home“, (Bild rechts) einem einstigen Ferienheim für Armeeoffiziere hervorgegangene Pension, herrlich altmodisch mit kolonialzeitlicher Dienerschaft und in der Tat ein wenig „snooty“ – so ganz anders als ein unpersönliches Hotel.
Ich fühlte mich pudelwohl dort, zumal auch das Heißwasser einwandfrei funktionierte – in den kalten Bergen unverzichtbar, aber keine Selbstverständlichkeit in Indien!
Noch ein wenig höher trägt man die Nase im Wellington, zwischen Ooty und Coonoor gelegen und, wie viele Golfplätze, im Besitz der indischen Armee.

Flar10Außenseiter werden in diesen gepflegten, von Dschungeln und Teeplantagen (Bild links) umgebenen Club nur mit der Empfehlung eines Mitglieds und „upon personal approval of the Secretary“ vorgelassen – aber in der Norm reicht schon ein Anruf des erwähnten Ex-Obersten.

Mittels „Vitamin B“ wird in Indien alles Mögliche gedeichselt. Man muss nur die gleiche Sprache sprechen.
Was die Range angeht, hätte man in Kodaikanal, eine Tagesreise weiter südlich, im Vergleich zu Ooty weit eher Anlass zu Hochnäsigkeit, denn auf dem schönen, bereits 1895 gegründeten 18-Loch-Platz laufen keine Ziegen, Schafe und Holzsammler herum.

Aber… Wieso denn die Greens mit Stahlseilen eingezäunt seien, fragte ich verblüfft den Caddymaster, der mitunter in dickem Nebel verschwand, während er mich auf dem Gelände herumführte. „Gegen Wildschweine, Rotwild, Bisons“, erklärte er.

Das Areal ist von naturgeschützten Waldungen umgeben, aus denen alles mögliche Wildgetier hervorbricht und sich das saftige Gras der Range schmecken lässt. Mancherorts waren deutliche Spuren sichtbar, aber zumindest die empfindlichen Greens wollte man vor den Vandalen bewahren. „Wenn ein Ball vom Zaun abprallt, hat der Spieler eine Wiederholung gut. Bei Turnieren, aber auch nur dann, entfernen wir die Zäune“, fügte mein Guide hinzu. Bisons auf der Range – das hatte ich noch nirgendwo erlebt.

Golfclub LogoKodai“, an einem schönen, 24 ha großen See gelegen und von lauter Naturwundern umgeben, ist schon urig. 

Flair 16Gleich neben dem Clubhaus fällt der Berg über 1000 Meter senkrecht ab. „Suicide Point“ nannte sich diese Stätte früher, weil sich unglücklich Verliebte dort vorzugsweise in die Tiefe stürzten, jetzt ist sie zu „Green Valley View“ entschärft worden.

Ein Stückchen weiter, gleich neben Loch 14, sticht der „Pillar Rock“ aus den Wolkenfeldern (manchmal) empor und lockt ganze Scharen indischer Touristen an. „Gegen die helfen unsere Zäune auch“, schmunzelte der Caddymaster. Sie haben schon Humor, die Inder.
Ooty und Kodai heißen Gäste willkommen und der Wellington, unter den geschilderten Bedingungen, ebenfalls. Die Greenfees sind, wie alle Preise in Indien, sehr moderat.

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Impressionen vom Golfen in Indien

GreenkeeperBalljungenHauruck!
Auf dem Gymkhana wird noch mit Muskelkraft gemäht! (links)

Diesen Boys entgeht kein Golfball Kugel, nicht einer! (rechts)


RoughGanz schön rough, diese Roughs! Wie um Himmels willen soll man hier einen Ball finden? (links)

WarnugRechts: Alles klar? Hier werden Autofahrer vor fliegenden Golfbällen gewarnt. 

CaddeymasterDer Caddymaster erklärt das Wesen der umzäunten Greens.

NebelMitunter bedecken die Nebel alles mit einem mildtätigen Schleier.

 

Indische Impressionen

 

SiluetteUm Plätze wie die zuvor genannten zu erreichen, nimmt man am besten das Auto. (Der Dampfzug ist zwar romantisch, aber zeitraubend und unbequem; mit dem kann man ggf. mal eine Extratour einlegen). Den Chauffeur miete man gleich mit dazu, denn das indische Verkehrsgeschehen ist das chaotischste der Welt und für den Outsider brandgefährlich. Den Wagen kann man in Verbindung mit einer kompletten Tour nach eigenen Vorstellungen buchen. Das Unternehmen ist für unsere Begriffe spottbillig.

EssenÜberhaupt ist Indien eines der preiswertesten Länder der Welt; ein gutes Hotelzimmer für 10 Euro gilt als ganz normal.
Aber nicht, weil das Land, so das übliche Klischee, „bitterarm“ wäre.
Freilich gibt es Millionen Dörfler, die von der Hand in den Mund leben. Doch die indische Mittelklasse ist unaufhörlich im Wachsen. Sie zählt bereits ein Viertel des Milliardenvolkes und soll bis 2025 die Hälfte erreicht haben.


BevölkerungswachstumIm Jahre 2039, so die Vorausrechnungen, wird Indien in der Liga der Nationen ganz vorne liegen, womöglich sogar die USA überflügeln. Vor allem technologisch schreitet der Subkontinent mit gewaltigen Schritten voran.
Gottlob geht diese Entwicklung nicht mit einer totalen Verwestlichung der Bevölkerung einher.

FrauenGewiss, auf Auto, Fernseher, PC, Handy und nicht zuletzt auch auf die Mitgliedschaft in einem guten Golfclub will kein Bessergestellter mehr verzichten, und seine Frau, durchaus emanzipiert, nicht aufs Makeup, das überhaupt schon in grauer Vorzeit in Indien erfunden wurde. Gleichzeitig jedoch sind die alten Glaubensprinzipien, an erster Stelle (80%) des Hinduismus, so aktuell wie eh und je.

TempelDie zahllosen, bis zu 1400 Jahre alten Tempel werden nicht als Museen, sondern zu frommer Andacht besucht, und das von großen Menschenscharen – die im Zeichen der überbordenden Population ja überhaupt ein Kennzeichen Indiens sind.


Die Vielfalt der Religionen beschert Indien eine kaum überschaubare Zahl von Festen. Zu den nationalen Feiertagen gesellen sich unzählige regionale und lokale, die allesamt einen religiösen Hintergrund haben, aber nicht zuletzt auch den Zweck verfolgen, der recht ereignislosen und durch das Kastenwesen streng reglementierten Alltagsexistenz der riesigen Landbevölkerung eine farbenfrohe Abwechslung zu verleihen.

FeuerwehrDafür sorgen Umzüge (zumeist mit Elefanten) und Jahrmärkte, Gaukler und Akrobaten, Feuerwerk und Schauspiele, donnernde Musik und ausgelassene Speiseorgien.
Nur Alkohol wird bei diesen Anlässen kaum getrunken, denn das ist in Indien mit wenigen Ausnahmen eher unüblich.
AlkoholAngesichts der gewohnten Bilder bedrückendster Armut verblüfft es bei einer Tour durch das Land der Milliarden Menschen doch schon sehr, immer wieder, selbst auf den primitivsten Dörfchen, in diese rauschenden Feste zu geraten, die, so will es scheinen, einem hiesigen Karneval um nichts nachstehen. Die Buntheit der Prozessionen und Darstellungen ist überwältigend, der Lärm noch viel mehr, und die ausgelassene Fröhlichkeit erst recht. 

FreudeVersteht sich, dass der staunende Fremde sofort in den Betrieb eingebunden wird und dass man das wenige, das man hat, mit ihm teilt – zum allermindesten den Frohsinn.

Dennoch wird uns in Indien trotz seiner Annäherung an westliche Lebensstandards weiterhin vieles befremdlich vorkommen.

Eine Eigenart sei gleich erwähnt, denn sie trägt zu ständiger Verwirrung bei: Im ganzen Süden des Landes schüttelt man energisch den Kopf, um etwas zu bejahen…!

Text und Fotos von Roland Hanewald