Lofoten-Links nicht von dieser Welt
Eine Begegnung mit dem Lofoten-Links in Norwegen
von Hans-Joachim Walter
Sie schmiegen sich in die westlichsten Falten Nord-Norwegens und verbergen unter ihrem felsigen Mantel eine geheimnisvolle Welt von bizarren Gewölben, sprühenden Wasserfällen, steil aufragenden Bergen und verschwiegenen Buchten. Ihre Namen klingen wie Musik, raunen wie der Wind, plätschern wie kleine Gebirgsbäche.
Schon die Wikinger, die hier bereits im 9. Jahrhundert siedelten, glaubten sich auf dem aus rundum achtzig unterschiedlich großen Inseln bestehende Archipel im „Paradies“ zu befinden und den Göttern sehr nahe.
Der Nationalkomponist des Königreiches, Edvard Grieg, postulierte „man muss sie gesehen haben, wenn einem nicht ein wunderbares Bild in der Seele fehlen soll“.
Gemeint sind die Lofoten, ein Vokabel wie ein Lockruf, eine Gegend wie ein gigantisches Gedicht, intensiv, hautnah und porentief, am 68. Grad nördlicher Breite und rund 150 Kilometer hinter dem Polarkreis gelegen.
Es war der Vorsatz, die Welt für einige Tage zu verlassen, aus der gemeinen Wirklichkeit herauszutreten, Landschaften nicht nach dem Hörensagen zu messen, das Versprechen, sie danach umso schärfer wahrzunehmen.
Der „Lofoten-Links“, auf der vorgelagerten Insel „ Gimsoy“ gelegen, wo sich die herkömmliche Erdkunde allmählich scheibchenweise vom Festland verabschiedet, um endgültig im Atlantik zu verschwinden, schien mir der geeignete Ort zu sein. Ein wohlmeinender Troll hatte mir die Adresse zugeflüstert.
Um es gleich vorweg zu sagen: nirgendwo bin ich auf meiner lebenslangen Suche und Sehnsucht nach den Rohdiamanten des Golfsports fündiger geworden geworden als im winzigen Weiler Hov, der eigentlich nur aus wenigen Gehöften besteht.
Normalerweise ist ein klassischer Links – und „Lofoten“ fällt unmissverständlich unter diese Kategorie, von der es weltweit nicht mehr als ca. 240 gibt – keine Angelegenheit leichten Genießens. Ihm nähert man sich nicht aus schneller Begeisterung, sondern aus langsamer Einsicht. Viele glauben in ihm lediglich ein bloßliegendes Skelett zu erkennen, ein leer geräumtes Regal ohne Deckung, nicht mehr als ein Schluckauf von Mutter Natur. Und ohne Zuneigung spürt man nichts von seinem Reichtum.
Nicht so hier: man braucht keine „innere Toscana“ mitbringen, um seine Verklärungsbereitschaft zu aktivieren.
Ein Platz wie aus Meeresschaum geboren. Wer hier unterwegs ist , hat sich mit einem tollkühnen Dünengewoge auseinanderzusetzen, deren Tumulte nichts mehr mit einer geordneten Erdkugel zu tun haben will und dem man beiwohnt, als habe Poseidon persönlich den Boden gepflügt.
„Lofotens“ grüne Bühne hat kein Dach, keine Mauer und keinen Vorhang, der die Elemente zähmt, dafür aber 11 Löcher, die dem Seesaum auf den Leib geschnitten sind. Grüns, die in Schluchten und Senken kauern oder waghalsig über Abgründe hängen. Manche scheinen von weitem auch schwimmen zu können. Die fein gezeichneten 7 Löcher landeinwärts schmiegen sich um zwei größere Seen, die die Eiszeit hinterlassen hat. Auch in dieser Sequenz wird man bei lebendigem Leib gesalzen und hat gleichzeitig eine faszinierende Bergwelt vor Augen (etwa die „Hove-Mountains“ am 9. Loch).
Intime Passagen wechseln sich mit offenen ab und man begreift rasch, dass die Partie neben dem Auge auch den Verstand beschäftigt.
„Hov“ leitet sich von einem Wikinger-Verb ab und bedeutet „opfern“. Und wer vom Tugendpfad der engen Fairways abweicht, darf seinen Ball getrost dem Rough opfern, wo die Natur ihr Bestes tut, den nördlichen Breiten trotzt und einen Brand aus roten, gelben und violetten Blüten entfacht. Nirgendwo scheitert man farbenfroher.
Eigentlich gibt es keinen Weitwinkel und keine Vokabeln, mit denen man diesem Course wirklich gerecht werden könnte. Aber es gibt diesen Eröffnungsdrive über einen Ellbogen der hechtgrauen See hinweg, der selbst dem gefeierten 1. Loch des schottischen Machrihanisch Course die Schau stiehlt. Und dann gibt es noch das kurze 2. Loch, soeben zum besten Par 3 Skandinaviens gekürt.
Aber was heißt das schon. Irritiert steht man auf dem erhöhten Tee, sieht ein Grün auf einer Halbinsel mitten im Atlantik liegen, verfolgt fassungslos die krustige Bahn, die beidseitig von Halbmond-Stränden begrenzt wird und hofft mit dem mittleren Eisen nicht im Topfbunker des Approachbereiches zu stranden (siehe auch großes Foto oben). Und wenn dann noch, wie zur Krönung, dieses sagenhafte Nordlicht (unten) die Szenerie beleuchtet und feine, grüne Fäden auf die Erde rieseln lässt, ist das Wunder vollkommen und an einen normalen Schwung nicht mehr zu denken.
Auf dem veritablen Felsen hinter der Puttfläche wird das Geschehen von Seeadler beäugt, während sich weiter draußen, vornehmlich im Herbst, Wale tummeln, darunter auch der Finnwal, das zweitgrößte Säugetier.
Maßlose 200 Meter carry über eine Bucht hinweg sind beim Treibschlag am 3. Loch zu klären und wenn einem die Gischt von vorne ins Gesicht schlägt, tut man gut daran, die vorderen der jeweils vier Abschläge zu wählen. Eine heroischere Eröffnungsphase ist schlechterdings nicht vorstellbar.
Aber auch auf der Strecke home verlernt man das Staunen nicht. Der Abschnitt zwischen den Löchern 12 bis 14 wird weltweit als herausragend gewürdigt. Dabei steht zunächst eine strategische Prüfung am längsten Par 3 an, das schnurstracks auf die See zuläuft und mit der Inselgruppe der Flakstadöva im Hintergrund auch ästhetisch überzeugt (angesichts der Aufgaben – 222 Meter vom hinteren Tee – empfehle ich das Fotografieren der nicht spielenden Begleitung zu überlassen).
Hole 13 gilt als eines der schwersten Par 5 des Landes. Bunker, Krater und Felsen auf der Bahn müssen behutsam umschifft werden, während das kleine, hoch aufgebaute Grün an einer Abbruchkante hängt wie ein hingeworfener Wikinger-Helm.
Mein spezieller Favorit indes ist das 14, ein mittellanges dog-leg nach rechts, an dem die See tief in den Annäherungsbereich eindringt und die meist schneebedeckten Kuppen des „Hove Mountain“, übrigens ein Pilgerziel, den Horizont begrenzen.
Fortschrittlich bei Einzelentscheidungen, aber traditionell in der Grundstruktur hat Jeremy Turner, ein in England lebender Schwede, das Drehbuch für das Schlussquartett verfasst und lässt die Partie Strand nah vor dem Clubhaus ausklingen. Sie sehen es noch als Provisorium und soll bald einer wetterfesten Hütte weichen. Für mich indes bei näherem Hinsehen eine wahre Kapelle der Behaglichkeit, in der das Kaminfeuer nie ausgeht.
Jeremy Mulvihill, Golf Course Superintendent, ist für den tadellosen Platzzustand verantwortlich. Den sympathischen Iren hat man vom berühmten Ballybunion Golf Club hierhin gelockt. Seinen ganzen Ehrgeiz legt er darin, ohne chemische Mittel der Links typischen „fescue“ Grassorte trotz intensiver Sommermonate und eines erbarmungslosen Winters auf die Sprünge zu helfen, was angesichts der knusprigen Fairways und schnellen Grüns trefflich gelingt.
Apropos Sommermonate:
wenn die Mitternachtssonne wie angenagelt am Horizont steht (vom 25. Mai bis 15 Juli) und man nicht weiß, ob es Mittag oder Nacht ist, wird durchgespielt.
Die beste Abspielzeit sei 1:30 a.m. , habe ich mir sagen lassen, weil dann die Energiezufuhr optimal sei, was ich zugegeben bisher nicht wusste.
Ein langer, langer Sommertag von beiläufig sieben Wochen Dauer und oft genug dank des Golfstroms von ganz unnördlicher Wärme. Danach serviert Alex, der kanadische Koch, „Kafe an Pub“, einen Brei aus Weizenmehl und Sahne, dick mit Zimt und Rosinen bestreut . Dazu Waffeln mit geschmolzener Schokolade – das Ganze eigentlich das Hochzeitsgericht der Norweger.
Alles begann Anfang der 90iger Jahre, als Frode Hov, der heute dem Eigentümer-Konsortium vorsteht, noch während seiner Studienzeit Pläne über eine touristische Aufwertung seiner Inselgruppe schmiedete. Lange dämmerte der Platz als 6 Löcher Anlage vor sich her.
Mit der Erneuerung und dem Ausbau auf die vollen 18 im Juli 2015 sieht man nunmehr einer neuen Zeitenwende entgegen. Zum Clubinventar gehören noch 11 Cottages in prächtiger Alleinlage. Sie genügen höchsten Ansprüchen.
Ein Spezialitäten-Restaurant in einer umgebauten Scheune, nur wenige Meter vom Clubhaus entfernt, ergänzt das kulinarische Angebot.
Darüber hinaus verschafft eine Herde von 50 Island Ponys die Möglichkeit, vom Sattel aus die Landschaft zu erkunden.
Es gibt Plätze auf diesem Planeten, die man nicht einfach dadurch verlässt, dass man davon reist, Runden, die ein so starkes Erlebnis hinterlassen, dass sie dazu zwingen, immer wieder zurückzukehren. Dazu gehört dieser Lofoten-Links.
Wenn Sie diese Zeilen im Bus oder im Stau lesen, steigen Sie sofort aus und fahren hin!
Course Info:
www.lofotenlinks.no / info@lofotenlinks.no / www.northernlightsbasecamp.com
Hov, 8314 Gimsoyssand, Lofoten, Norwegen
Tel + 47 76 07 20 02 – Mob: + 47 917 69 809
Länge 4216 M bis 6092 M – Rating 64,3 bis 73,5 – Slope 117 bis 136 (ohne Wind)
ANREISE:
Äußerst stimmungsvoll nähert man sich den Lofoten und seinem Links auf einer dreitägigen Postschiffroute mit einem Schiff der Hurtigruten, das die Strecke von Bergen nach Kirkenes seit dem 02.Juli 1893 bedient (www.hurtigruten.de).
Die Reise entlang den Fjorden und Schären der norwegischen Westküste ist gespickt mit Impressionen und Superlativen der vorbeifließenden Landschaft.
Unterwegs interessante Vorträge und spannende Landausflüge, köstliche Verpflegung (nur der frische Eismeersaibling sei erwähnt!).
Von Bergen geht es auf „der schönsten Seereise der Welt (so die nicht übertriebene Eigenwerbung des Unternehmens) nach Svolvaer, wo man ein Auto mieten kann oder sich vom Fahrdienst des Clubs abholen lässt (Fahrzeit bis zum Platz ca. 45 Minuten).
Text: Hans-Joachim Walter
Fotos: Jacob Sjoman und Kevin Murray