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Ardfin Golf – Isle of Jura

Eine Ektase am Ende des Regenbogens

 

MapSie liegen wie Wellenbrecher vor der Nordwestküste Schottlands. Etwas mehr als fünfzig Inseln, größere oder kleinere, bewohnt oder nicht bewohnt. Gemeint sind die Inneren Hebriden. Ein Name wie ein Trommelwirbel, Eilande wie aus Meeresschaum geboren. Sie klingen magisch und versunken wie Atlantis. Von Schiffsbrüchen abgesehen, scheint hier nichts zu holen zu sein.

Felix Mendelssohn Bartoldy indes war von diesem Archipel so angetan, dass er seiner 5. Sinfonie (für mich die schönste)  noch ein Prelüde („Die Hebriden“) widmete.
Anderseits glaubte Dr. Samuel Johnson, der „Goethe Londons“, nur ein „schlechteres England“ gesehen zu haben, verlor auch noch seinen unvermeidlichen Spazierstock im Heidegestrüpp und kehrte entnervt um.

 

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Seitdem die Autofähre „Gigha“ einen Sonnenuntergang hinter sich herschleppte, der am Ende auch noch die farbenfrohen Fischerboote im Abendlicht schaukeln ließ, um mich von der Isle of Islay auf die Isle auf Jura zu bringen, bin ich der Insel ziemlich erlegen.
Mit gut vierzig Kilometer Länge und ca. zehn Kilometer Breite gehört sie gewiss nicht zu den kleinsten Eilanden. Aber es leben nur etwa zweihundert Menschen dort.
Auf Jura findet man keinen Arzt und trifft auf keinen Polizisten (weswegen sich die meisten Einwohner die Kosten für den Führerschein ersparen).
Sie verfügt nur über ein schmales Sträßchen, einen sehr lebhaften Pub mit angeschlossener Herberge, in dem noch Solidarität statt Konkurrenz zählt und, überraschender Weise, einen Kaugummi-Automaten, der sogar noch funktioniert und beweist, dass hier es doch noch Leben gibt.
Außerdem wurde die Whisky-Destillerie „Isle of Jura“ wieder reanimiert. Mit einer ganzen Flasche Single Malt wurden früher Neugeborene eingerieben, was ihrer Gesundheit offensichtlich zuträglich war. Nirgendwo sonst habe ich auf dem verwunschenen Friedhof des Hauptortes Craighouse mehr Gräber von Verstorbenen gesehen, die ihr Hundertjähriges lässig geschafft hatten.
Im Übrigen ist Jura geprägt von einer unwiderstehlichen, grandiosen Natur. Stella Mc Carthney wusste anscheinend, wo sie heiratete und Georg Orwell schrieb hier seinen Bestseller “1984” im Rausch der Ruhe herunter. Ein wahrhaft zukunftsweisender Roman, der die fakes und andere Unarten des heutigen Internet-Zeitalter auf erstaunliche Weise vorwegnimmt und jedwedes Diktatur-Regime entlarvt. Nur heißen “big brother” heute Facebook oder Tik-Tok.

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Schon der 1. Abschlag entlang der Abbruchkante der Steilküste hat es in sich.
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Unser Autor auf dem 10. Tee wie auf hoher See. Man sollte schwindelfrei sein.
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Hans-Joachim Walter mit “Headgreenkeeper” “Holly” oberhalb des 12. Grüns
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Das 9. Grün mit dem geschichtsträchtigen Bootshouse vom 11.Tee aus gesehen

Und da ist auch noch „Ardfin Golf“, womit ich zum eigentlichen Thema komme. Ein paar Jahre lang gehörte er zum privaten Portfolio des australischen Milliardärs Greg Coffey. Erst seit kurzem ist er auch der Öffentlichkeit zugänglich, allerdings nur für diejenigen, die ihre Erbtante schon gemeuchelt haben. Die wenigen, die den Platz bereits zu Gesicht bekommen haben, schwärmen vom einem Projekt, das es seit Generationen nicht mehr gegeben hat und das Zeug hat, an den Grundfesseln der legendären Golf-Kathedralen Schottlands, von denen es nicht wenige gibt, zu rühren.
Auch mir gehen, was ich sogleich bekennen muss, die Superlative aus.
Der Parcours reitet verwegen auf dem höckerigen Kamm einer zehn Meilen langen Steilküste mit Blicken, an denen man sich schneiden kann. Die hechtgraue See ist allgegenwärtig, aber auch die südlich gelegene Isle of Islay, berühmt für seine weltweit begehrten Malts. Ich nenne nur Destillerien wie Laphroaig, Lagavulin, der Favorit von König Charles III., oder auch Bowmore. Davor ein weit ins Land schneidender Meeresarm, von zahlreichen Seen und Tümpeln durchsetzt wie ein, riesiger, löchriger Schwamm.
Bob Harrison, auch ein Australier, konnte also dank der Naturvorgaben mit einem Rohdiamanten arbeiten. Sieben Mal ist er von down under angereist, vierzehn Entwürfe brauchte es, bis sein Master-Plan stand. Augenblicklich reift die Erkenntnis, dass sich der Architekt das pulsierende Terrain mit Herz und Hirn zu eigen gemacht hat.
Das Ergebnis seiner akribischen Choreographie ist eine stimmungsvolle Einheit von Natur und Design, wie sie selten gelingt.
Wer hier unterwegs ist, spielt nicht nur eine Runde herunter, sondern sammelt Augenblicke, was auch auf die geniale Streckenführung zurückzuführen ist. Die ersten sieben Löcher turnen auf der oberen Etage dieser maßlosen Domäne. Danach folgt die Partie dem kühnen Schwung der krustigen Steilküste, ein Spektakel aus Sand, Fels und durchlöcherten Klippen, wobei das achte Grün Halbinsel artig noch so grade eben am Festland andockt.
Auf der sich anschließenden Spielsequenz der Löcher neun bis vierzehn kann sich der Golfer den Leib mit Köstlichkeiten vollschlagen, wobei alleine das Par 3 10. Loch die weite Anreise wert ist. Es verfügt über ein Tee und ein Grün, ist aber in Wahrheit geformt von Ausbrüchen der Vulkane, den Gletschern der Eiszeit und den Wellen des Ozeans. Zwischen Abschlag und Fahne nur Felsskulpturen und Wasser. Eine Ektase! Wenn dann noch nach einem kurzen Schauer ein Regenbogen den Himmel schmückt, spielt das Resultat eigentlich keine Rolle mehr.

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Das 9. Grün mit dem geschichtsträchtigen Bootshouse vom 11.Tee aus gesehen

Mit dem langen 11.Loch erreichen wir das großartige Uferpanorama. Der Hintergrund der Puttfläche wird dominiert von Claig Castle auf Heather Island, ein strategisches Gemäuer im frühen Mittelalter, völlig verloren vor der Gewalt der Umgebung.
Neben dem Grün das historische Boathouse, sorgfältig restauriert während der Bauphase des Platzes. Sein Kamin gilt als Kultstätte Schottlands, nachdem die Rock-Band KLF im Jahre 1994 eine Million englische Pfund vor Millionen (Fernseh)-Publikum in der Feuerstelle verbrannte. Heute mit Bar und Küche ausgestattet, kann man hier eine schöne Pause einlegen und das Erlebte sacken lassen.
Etwa an das 2. Loch zurückdenken, das hart an der Abbruchkante platziert wurde und dessen Grün (Par 3) man über einen Knäuel bröckelnder Landmasse und zerfetzten Riffen erreicht.
Oder an den Approach über die Steinmauer am 8. Hole, bestimmt aber an den Gang durch den Garten zwischen dem 7. und 8. Loch, dessen viktorianischer Wintergarten auch als Halfway House dient. Man fühlt sich ins 19. Jahrhundert zurückversetzt, atmet den Duft von zweihundert verschiedenen Rosenarten und ungezählten Kräutern ein.
Mit dem 12. erwartet den Akteur ein weiteres elektrisierendes kurzes Loch gänzlich über Salzwasser hinweg, danach der Treibschlag am 13 die eingefallenen Gemäuer eines uralten Schaafs Pferchs zu klären, während sich die Runde mit dem 14. langsam vom Seesaum verabschiedet, bergan vor dem Jura House endet, ein zwanzig Zimmer Refugium des Eigentümers.
Am Ende weiß man angesichts der Bilderflut nicht, ob man über einen Golfplatz oder durch einen Film gelaufen ist.
Es gibt Plätze, die ein Geheimnis haben und solche, die nur so tun, als hätten sie eins.
Ardfin gehört zur ersten Kategorie trotz der offenen, plausiblen, völlig durchdachten wunderbaren verteilten Botschaften. Noch bin ich nicht in der Lage, es zu lüften.
We will meet again!

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Es ist nicht ungewöhnlich, auf der Runde von stattlichem Dammwild begleitet zu werden.

Fast hätte ich vergessen, über das rege Wildlife zu berichten, mit der die Partie noch zusätzlich gewürzt ist. Damwild an scheinbar jeder Ecke – auf der Insel sollen ca. viertausend Stück leben – Gold- oder Seeadler stoisch auf Felskrumen sitzend wie die Skulptur ihrer selbst und am Himmel führen die seltene Wiesenschnarre oder Steindohlen ihre Kunststücke vor.

Über allem thronen im Rücken die „Paps of Jura“, drei kornische Berggipfel, die bei klarer Sicht schon vom Festland her auszumachen sind.


Info Ardfin Golf

Ardfin Golf :6.812 yards Par 72
Ardfin, The Long Road, Isle of Jura Tel: 0044 1496820071
info@ardfin.com

Sehenswertes Video unter https://www.ardfin.com/golf/

Anreise:

Über Flughafen Glasgow oder Edinburgh entlang der malerischen Panorama-Strasse A83 bis Kennacriag am Eingang zur Halbinsel Kintyre.
Weiter mit der Autofähre nach Port Ellen oder Port Askraig nach der Isle of Islay (Reservierung erforderlich  oyster-barüber calmac.uk.com). Von Port Askraig Fähre zur Isle of Jura (zehn Minuten, keine Reservierung nötig).
Unterwegs Stopps in Crinan, um im „Loch Fyne Oyster Bar“ die wahrscheinlich besten Austern Europas zu schlürfen. Sowie Besuch von Craigievar Castle im Ort Craigievar. Sitz des Dukes of Atholl.

Übernachten: 

 ardfin-hotelMan kann auf Ardfin in den entzückenden, von der Stararchitektin Louise Jones renovierten Räumen der ehemaligen Stallungen übernachten. Butler Service, aber die Suppe muss man selbst auslöffeln.
Preis: ca. 1.000 Pfund mit Frühstück !

Wesentlich preiswerter heißt die Alternative „Hotel Jura“. Familiär geführtes, einziges Hotel der Insel (Bild oben)
(Tel: 0044 1496820243) direkt am Wasser.
Original-Ton Tony: „ May I serve you full Scottish breakfast or can I offer to you other options this morning ?“

© Copyright Text: Hans-Joachim Walter
Bilder: Mit Erlaubnis von Alfin Golf,
Bob Harrioson und Konrad Borowski